Wir durften uns endlich wieder auf Wildwasser freuen – nur diesmal meist ohne Packraft! Denn während unseres dreitägigen Rescue-3 Wildwasser-Rettungskurses bei Packraft Europe in Österreich haben wir besonders solche Szenarien auf dem Fluss trainiert, die wir bei jeder Packrafting-Tour eigentlich vermeiden wollen: Kentern, Schwimmen, Selbstrettung, Notfälle, Lebensgefahr.
„Safety first!“ war das Motto und: „Tschüss, Komfortzone!“ Bei diesem Packraft-Lehrgang erwartete uns nämlich ein sportliches Programm und auch mental einige Challenges, die uns immer wieder auf die Probe stellten und den Ernstfall einer Rettung im Wildwasser greifbarer machten.
Was wir beim Sicherheitstraining erlebt und gelernt haben und ob wir einen Rescue-3 Wildwasser-Rettungskurs für Packrafter*innen empfehlen können, erfährst du in diesem Artikel!
Warum ist ein Wildwasser-Rettungskurs wichtig?
Geht es um Sicherheit beim Packrafting wird große Aufmerksamkeit auf die Robustheit von Packrafts oder die richtige Packrafting-Schutzausrüstung gelegt. Alles super wichtig, keine Frage! Aber zu oft wird das tragende Element beim Packraften vergessen: der Fluss selbst.
Und dabei sind das „Lesen“, Verstehen und Einschätzen von bewegtem Wasser mitunter die wichtigsten Skills, um sicher auf dem Fluss unterwegs zu sein.
- Wie stark und wohin verläuft die Strömung? Wo gibt es sichere Zonen im Fluss?
- Woran erkenne ich auf einen Blick Felsunterspülungen, bedrohliche Stromschnellen oder lebensgefährliche Hindernisse im Fluss?
- Wie lange bin ich im kalten Wasser handlungsfähig? (Mehr dazu: Packrafting bei kalten Temperaturen)
- Wie schwimme ich richtig im Wildwasser?
- Wann und wie kann ich eine Strömung zu Fuß durchqueren?
Alleine dieses Wissen kann uns Packraftern, aber grundsätzlich allen Wassersportler*innen helfen, gar nicht erst in brenzlige Situationen zu kommen. Aber nicht immer ist ein Kenterer zu vermeiden oder eine Fehlentscheidung vorhersehbar und dann kann das richtige (oder falsche!) Verhalten im Wildwasser wirklich über Leben und Tod entscheiden.
Will man darüber hinaus auch anderen auf dem Fluss in Not geratenen Menschen helfen, sind unbedingt eingeübte Wildwasser-Rettungstechniken erforderlich. Ohne dieses Knowhow und ein geschultes Urteilsvermögen sind wir bei einer Rettung keine Hilfe, sondern womöglich eine zusätzliche Gefahr für alle Beteiligten.
Ein wilder Fluss bleibt bei aller Schönheit eine Naturgewalt, der wir mit höchstem Respekt und niemals leichtsinnig gegenüber treten sollten. Ein fundierter und praxisorientierter Wildwasser-Rettungskurs war für uns deshalb schon seit längerer Zeit fest eingeplant.
Bevor wir dich jetzt in unserem Erfahrungsbericht direkt in drei echt aufregende Kurstage mitnehmen, erklären wir kurz, warum wir uns für einen Lehrgang von Rescue-3 Europe entschieden haben und was Rescue-3 überhaupt bedeutet:
Rescue-3 – Der Goldstandard der Wildwasser-Rettungskurse
Rescue-3 wurde 1979 in den USA gegründet und ist heute ein international vertretener Anbieter von zertifizierten Kursen und professionellen Ausbildungen für Rettungstechniken in Wildwasser, Überflutungen oder jeder anderen Art von bewegtem Wasser. Rescue-3-Lehrgänge gelten als Goldstandard unter den Wildwasser-Rettungskursen und richten sich an Feuerwehren, Bergwachten und Wasserrettungsdienste, aber ebenso an Outddor-Einrichtungen, Wassersportler und alle Freizeitpaddler.
Der Name Rescue-3 bezieht sich auf die drei großen Rettungseinsatzgebiete Land, Luft und Wasser, die das Unternehmen noch zu Beginn seiner Geschichte abdeckte.
Rescue-3-Lehrgänge werden auf der ganzen Welt nach den gleichen Inhalten und Standards auschließlich von ausgebildeten Rescue-3-Instructoren durchgeführt.
Wir haben uns für den dreitägigen Whitewater Rescue Technician Professional (WRT-PRO) bei Seon Crockford-Laserer von Packraft Europe entschieden. Vorallem deshalb, weil Packraft Europe der erste Kursanbieter in Europa ist, der das renommierte Wildwasser-Sicherheitstraining von Rescue-3 speziell auf die Bedürfnisse von Packraftern zugeschnitten hat.
Uns war es besonders wichtig, neben den allgemein geltenden Gesetzen auf dem Wasser das beste aus genau dem Equipment rauszuholen, dass wir bei unseren Packrafting-Touren immer dabei haben und so relitätsnah wie möglich zu trainieren.
Schließlich bringen Packrafts und unsere eventuell auf Leichtigkeit und Packmaß angepasste Ausrüstung ihre ganz eigenen Vorraussetzungen für eine Rettungsszenario mit sich.
Wildwasser-Rettungskurs Tag 1: Den Fluss verstehen lernen
Als wir im oberösterreichischen Gosau, der Heimat von Packraft Europe, ankamen, regnete es schon seit Tagen und rein wettertechnisch war nicht zu spüren, dass der eigentlich im April geplante Kurs wegen Corona auf Mitte Juni verschoben wurde. So waren wir froh, dass es am ersten Tag mit nun sprichwörtlich trockener Theorie losging.
Um 8:30 Uhr trafen wir uns mit Rescue-3-Instructor Seon und den anderen Kurs-Teilnehmern in einem gemütlichen Gasthof. Insgesamt waren wir ein bunter Haufen von zehn Packrafting-Verrückten aller Paddel-Level, der in den nächsten Tagen schnell zu einem wirklich guten Rettungsteam zusammenwachsen sollte.
Die Grundlagen der Wildwasserrettung
Wir starteten mit den Basics: Strömungslehre, Dynamik und Gefahren von Fließwasser, Wildwasser-Klassifizierungen, Kommunikation auf dem Fluss, Schutz- und Rettungsausrüstung. Vieles war uns bereits bekannt, aber mindestens genauso viel lernten wir dazu. Denn um die Umgebung „Fluss“ und wichtige Prinzipien der Wildwasserrettung wirklich zu verstehen, braucht es ein solides Grundwissen verschiedener Teilbereiche aus Hydrologie, Mechanik, Materialkunde, Physik und Medizin.
Nach einer Mittagspause freuten sich unsere rauchenden Köpfe auf Abkühlung im Wildwasser. Es ging auf den Fluss! Packrafts und Paddel brauchten wir an diesem Tag noch nicht, dafür unsere volle Schutzausrüstung und lieber mal ein, zwei Lagen wärmende Unterbekleidung mehr unter unseren Trockenanzügen.
An unserer Übungsstelle auf der Lammer angekommen, wich die Vorfreude dann doch leichtem Muffensausen. Der viele Regen der letzten Tage hat den Pegel ganz schön in die Höhe getrieben und die schlammgraue Wasserfarbe lud nicht wirklich für ein mehrstündiges Schwimmtraining ein.
Aber Instructor Seon checkte kurz die Lage und verkündete gut gelaunt in die Runde: „Perfect for practice!“
Wildwasser-Schwimmtechniken und Wurfsackrettung
Die erste Übung: Aggressives und defensives Schwimmen in der Strömung. Beide Schwimmtechniken gehören wirklich zur absoluten Grundausbildung jedes/r Packrafters/in, um verletzungsfrei und schnellstmöglich an ein Ufer zu gelangen.
Denn auch wenn die Schwimmweste ihren Dienst leistet und uns an der Wasseroberfläche hält, ist das Schwimmen im Wildwasser eine kräftezehrende Angelegenheit, besonders bei niedriger Wassertemperatur. Deshalb brauchen wir eine sehr effiziente und sichere Schwimmtechnik, ansonsten ist eine Selbstretttung im Fluss nahezu aussichtslos.
Danach kam unser wichtigstes und vielseitigstes Rettungstool zum Einsatz: der Wurfsack.
Theoretisch eigentlich simpel in der Anwendung gab es in der Praxis doch noch einiges beim korrekten Wurf, Stand, Seilmanagement und den Griff- und Zugtechniken zu lernen. Auch zu wissen, wie wir uns als Schwimmer bei unserer eigenen Wurfseilrettung richtig verhalten, kann im Ernstfall über das Gelingen einer Rettungsaktion entscheiden.
Deshalb: Schwimmen, Werfen, Retten, Wurfsack stopfen und alles wieder von vorne...
Ein paar Stunden später, als die Füße eiskalt waren, die Arme weich wie Pudding und das nasse Seil in unseren Händen seine Spuren hinterlassen hat, kam Seons erlösendes „Finish! Well done guys... great job!“
Der erste Tag unseres Rescue-3-Wildwasserkurses, der gefühlt vor mehr als 48 Stunden begann, war geschafft! Jetzt nur noch zurück zum Campingplatz, heiße Dusche, zwei Teller Nudeln und auf morgen freuen...
Wildwasser-Rettungskurs Tag 2: Einsatz von Rettungsausrüstung
Wattechnik im Flachwasser und Seilrettung vom Ufer
Den zweiten Kurstag starteten wir direkt auf dem Aubach, der nicht so harmlos ist, wie sein Name vielleicht vermuten lässt. An einer gut 1,20 Meter tiefen Stelle direkt unterhalb einer Stromschnelle lernten wir jetzt, wie wir eine Strömung zu Fuß durchqueren können. Alleine, mit mehreren Personen im Pulk und mit einem Verletzten im Schlepptau.
Eine stabile Wattechnik im Flachwasser und die richtige Einschätzung der Strömung kann überaus wichtig sein, wenn man zum Beispiel ein mitten im Fluss eingeklemmtes Opfer erreichen will, um es zu stabilisieren oder für eine folgende Rettungsaktion vorzubereiten.
Die Befreiung von eingeklemmten Personen und Ausrüstung gehört wohl zu den häufigsten Rettungsanlässen auf dem Fluss und ist meistens nur durch eine Seilrettung im Team möglich. Hierfür zeigte uns Seon in mehreren Szenarien unterschiedliche Seilsysteme, die wir mit Hilfe aneinandergeknoteter Wurfsackseile aufbauen können.
Es ist wirklich spannend, welche effektiven Rettungsmaßnahmen mit einem Minimum an Equipment möglich sind, aber für die korrekte Durchführung im Ernstfall spielt auch eine Menge Erfahrung eine Rolle. Deshalb gilt: nur Übung macht den (Rettungs-)Meister!
Selbstrettung und Ausrüstung sichern im Packraft
Am Nachmittag stiegen wir etwas weiter flussaufwärts in den Aubach, jetzt das erste Mal mit Boot unterm Hintern! Denn in den nächsten Kursstunden lernten wir, wie wir zusammen mit unserem Packraft und Paddel zum Rescue-Dramteam werden.
Nach einem Kenterer direkt auf dem Wasser ins Packraft einsteigen, Schwimmen mit Boot und Paddel oder auf dem Wasser ein anderes Packraft und Paddel einfangen: alles Übungssache, aber mit der richtigen Technik klappt's!
Zum Abschluss dieser Einheit durften wir dann endlich ein paar Kilometer paddeln, natürlich nicht ohne ausreichend Gelegenheiten, unser bisher gelerntes Wissen gleich in der Praxis zu beweisen. So hatte sich Seon ein paar kleinere „Zwischenfälle“ für uns ausgedacht, aber ob wirklich jeder Schwimmer aus unseren Reihen mit Absicht über Board ging, bleibt für immer ein Geheimnis. 😀
Das ganze Team hatte jedenfalls mächtig Spass, eingeklemmte Packrafts zu befreien, herrenlose Paddel zu jagen und zu sehen, wie wir alle immer sicherer in solchen Situationen wurden.
Wieder wurde es bereits früher Abend, als wir ausgepowert aus dem Fluss kletterten und in unserem kleinen Team-Camp auf dem Campingplatz wurde es am Abend erstaunlich schnell ruhig. Es hatten wohl alle so eine leise Vorahnung, was uns am letzten Kurstag noch alles erwarten würde...
Wildwasser-Rettungskurs Tag 3: Retten und Bergen im Team
Einsatzmanagement und Team-Koordination
Am Vormittag des dritten Tages trafen wir uns zu einer letzten Theorie-Einheit, bei der Seon uns viel über die psychologischen Aspekte und das richtige Einsatzmanagement eines Rettungszenarios vermittelte.
- Wie ist bei der Suche von Vermissten auf dem Fluss vorzugehen?
- Welche Faktoren müssen bei der Lageeinschätzung einer Rettung und der Entscheidungsfindung, was nun zu tun ist, berücksichtigt werden?
- Wie organisiert und koordiniert man ein größeres Rettungsteam?
Mehr Bewusstsein und Knowhow auf dieser Ebene kann überlebenswichtig sein! Denn unsere größten Gegner bei der Wasserrettung sind das Ertrinken und Unterkühlung – und beide arbeiten schnell.
Je effektiver unsere Such- und Rettungsaktionen also sind, desto größer ist unsere Chance auf ein Happy End für alle Beteiligten.
Knoten, Anker- und Seilsysteme
In der zweiten Kurseinheit ging es noch einmal um unsere technische Hardware und vorallem die Outdoor-MacGyvers im Team kamen jetzt voll auf ihre Kosten!
Quizzfrage: Wieviele verschiedene Seil-, Sicherungs- und Zugsysteme kann man mit nur 4 Karabinern, 3 Seilrollen, 2 Prusik-Schlingen, einem 5-Meter-Ankerseil und einem Wurfsack bauen?
Seon hatte darauf ca. 156 Antworten parat und nach etlichen Knotenübungen für diverse Ankersysteme und Flaschenzugkonstruktionen hatten wir echt das Gefühl, mit diesem Equipment sämtliche Probleme dieser Welt lösen zu können. Fantastisch! 😀
Seilfähren und Sprungseilrettung
Jetzt wartete aber die Lammer auf uns! Und mit ihr ein paar Packrafter in ernsten (aber natürlich geschauspielerten) Unfallsituationen, die dringend auf unser neu erlerntes Wissen vorallem in Sachen Seilfähren und Teammanagement angewiesen waren.
Ein wichtiger Punkt war an diesem Tag auch die Sprungseilrettung, die dann unausweichlich ist, wenn ein Opfer im Wasser bewusstlos ist oder aus anderen Gründen nicht mehr selbst bei seiner Rettung mithelfen kann. In solchen Fällen muss der mit Seil abgesicherte Retter zum Opfer schwimmen und beide zusammen von mindestens einem Dritten ans Ufer gebracht werden.
Das große Kursfinale
Timing, Kommunikation und einmal mehr Teamwork waren auch die wichtigsten Skills beim nun folgenden Kursfinale, das Seon und ein paar Teammitglieder für uns an einer wuchtigen WW-III-Passage der Lammer (die Seon natürlich wie seine Westentasche kennt) vorbereitet hatten.
Alle Schwerpunkte der letzten Tage wurden in einem großen Rettungsszenario noch einmal abgefragt und das ganze Team war so engagiert dabei, als ginge es tatsächlich um alles. Aufregend und eine tolle Erfahrung! Da es bei dieser Abschlussaufgabe aber auch darum geht, im Überraschungsmoment die richtigen Entscheidungen zu treffen, möchten wir hier für alle zukünftigen Kursteilnehmer nicht zu viel verraten...
Am Ende dieser letzten Übung waren wir auf jeden Fall alle ein bisschen stolz auf unsere Leistung und überwältigt, was wir in diesen drei Tagen alles lernen konnten.
Nach einem langen letzten Tag freute sich jeder auf das gemeinsame Grillen, Zusammensitzen, Erfahrungen austauschen und natürlich über das hart erkämpfte Rescue-3-Abzeichen, das ab jetzt für drei Jahre gültig ist.
Unser Fazit zum Rescue-3 Wildwasser-Rettungskurs für Packrafter
Nach diesem ausführlichen Bericht machen wir es kurz mit unserem Fazit:
Zusätzliche Informationen & Links
Rescue-3 Wildwasserrettungskurse werden überall auf der Welt mit den gleichen geprüften Rettungstechniken angeboten. Alle Traingsanbieter von Recue-3 Europe findest du hier.
2021 bietet auch Land Water Adventures WRT-REC-Kurse im Rahmen ihrer Packrafting-Kurse an der Soca in Slowenien an. Hier findest du die aktuellen Kurs-Termine.
Sowohl WRT-REC-Kurse also auch WRT-PRO-Kurse bietet 2021 außerdem das Team von Packraft Touren in Bad Tölz an.
Video: Unser Rescue-3 Wildwasser-Rettungskurs bei YouTube
Natürlich hatten wir auch beim Kurs die Kamera dabei! Action, Schmerzen, Fails und Fun – in dieses Video haben wir alle Eindrucke dieser spannenden drei Packraft-Tage reingepackt, aber schau doch selbst mal rein!
Wir hoffen, du konntest mit unserem Erfahrungsbericht einen guten Einblick in einen Rescue-3 Wildwasser-Rettungskurs gewinnen! Wenn wir dich für das super wichtige Thema Sicherheit beim Packraften und im Wildwasser begeistern konnten oder du Fragen zum Kurs hast, schreib uns gerne in den Kommentaren!
Wenn du denkst, dieser Packraft Test könnte auch für deine Paddel-Buddies interessant sein, freuen wir uns, wenn du diesen Artikel bei Social Media teilst. Fettes Danke & See you on the River!
Laura & Tom @packraftexplorers
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Wahrscheinlich ist es dabei sehr wichtig gut schwimmen zu können. Ich weiß, das ist Strömungsanlagen für den Leistungssport gibt, und dass man sie sogar kaufen kann. Damit lernt man auf jeden Fall gut schwimmen.
Hallo Anna, ja man sollte generell im Wildwasser sehr gut schwimmen können und daher natürlich auch bei dem Rescuekurs. Ja manche Kursanbieter machen ihre Kurse auch in Wildwasseranlagen. Hat natürlich auch seine Vorteile, aber unter realen Bedingungen in einem Wildbach ist dafür mehr Nervenkitzel vorhanden. Liebe Grüße Tom